Am 29. und 30. Oktober 2021 findet im Berner Bundeshaus die Frauensession statt. Economiefeministe war in zwei vorbereitenden Expertinnen-Kommissionen vertreten: in der Kommission für Anerkennung Freiwilligen und Care-Arbeit und in der Kommission für Wissenschaft.
Kommission für Anerkennung Freiwilligen und Care-Arbeit
Die Schweiz gehört bezüglich öffentlichen Sorge-Infrastrukturen und zeitlichen wie auch finanziellen Entlastungsmassnahmen für Familien und Haushalte zu den Schlusslichtern Europas. Die Folgen tragen zu einem grossen Teil die Frauen, weil sie den überwiegenden Teil der unbezahlten Haus- und Familienarbeit, aber auch der informellen Freiwilligenarbeit leisten. Darüber haben wir im Expertinnen-Hearing der Kommission für die Anerkennung der Freiwilligen- und Care-Arbeit gesprochen: wir sollten uns im Minimum dem europäischen Standard angleichen. Und dafür braucht es dringend mehr Zeit und Geld für Sorge- und Versorgungsarbeit.
Die Präsentationen zum Download: Freiwilligenarbeit in der Schweiz aus der Perspektive der feministischen Ökonomie und Unbezahlte Haus- und Familienarbeit aus feministisch-ökonomischer Perspektive.
Die einführenden Unterlagen zu unbezahlter Arbeit wie auch zur Freiwilligenarbeit stellen wir unter Grundlagenpapiere zur Verfügung.
Kommission für Wissenschaft
Warum die Schweiz feministische Wirtschaftswissenschaften braucht
Mascha Madörin
Ähnlich wie im Fall der Ökobewegung sind aus den Debatten der Frauenbewegungen der 1970- und 1980er Jahren Initiativen und internationale Netzwerke feministischer Ökonom*innen entstanden. Seit 1995 gibt es eine Fachzeitschrift «Feminist Economics» und ein internationaler Verband femininistischer Ökonom*innen. Es gibt ein paar wenige Nischen, beispielsweise in den USA und im Vereinigten Königreich, wo sich Ökonom*innen der Lehr- und Forschungstätigkeit in Sachen feministische Ökonomie widmen können. In der Schweiz gibt es auf universitärer Ebene diese Nischen nicht.
Trotzdem hat die feministische Ökonomie als Zweig in den letzten 25 Jahren grosse Fortschritte gemacht, in drei Hinsichten:
- In der Thematisierung von Forderungen von Frauenbewegungen und -gruppen: z.B. Lohndiskriminierung, Aspekte der Sozialversicherungen, etc.
- Im Versuch «Gender and Economics» respektive die Geschlechterverhältnisse in den verschiedensten ökonomischen Fragestellungen zum Thema zu machen. Das ist besonders wichtig für eine Analyse der Auswirkungen irgendwelcher wirtschaftspolitischer Massnahmen auf Frauen.
- Spätestens seit der Finanzkrise und anlässlich der Coronakrise wird ein Thema immer wichtiger: der riesige Wirtschaftssektor der Sorge- und Versorgungswirtschaft (Social Provisioning oder Care Economy genannt). Er ist der entscheidende Sektor, um zu Lebensstandard und Wohlfahrt überhaupt relevante Analysen machen zu können. In den Wirtschaftswissenschaften fehlt diese Kategorie völlig.
Die Schweiz ist in der Rezeption all dieser Entwicklungen leider arg im Rückstand. Es fehlen Forschungsgelder und entsprechende Institutionen, die eine kontinuierliche wirtschaftswissenschaftliche Arbeit, Forschung und Ausbildung in Sachen feministische Ökonomie ermöglichen. Wir brauchen eine entsprechende universitäre Ausbildung, in denen die Voraussetzungen für die wirtschaftstheoretische und -politische Expertise der Ökonom*innen geschaffen wird.
Die Präsentation zum Download: Warum die Schweiz feministische Wirtschaftswissenschaften braucht.
Mehr über die Frauensession kann hier in Erfahrung gebracht werden: www.de.alliancef.ch/frauensession.