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Veröffentlicht am: 19. August 2025

Keine Frauenförderung unter Trump und die geschlechterspezifische Lohnlücke

Inhalt:

Kursangebote

  • Kursangebot «Job Garantie am Beispiel von Frankreich» mit Josephine Schmidt. Am 18. September 2025, 19 Uhr per Zoom.
  • Kursangebot «Gender Budgeting». Unter der Leitung von Christine Rudolf und Ursula Scheidegger. Am 2. und 30. Oktober 2025, 19 Uhr per Zoom.

Beitragsbild: istockphoto

Kategorien: News
Schlagwörter: Frauenförderung, geschlechterspezifische Lohnlücke, Lohnlücke, Louisa Roos, Mascha Madörin, Statistik, Trump, Trump und die Frauenförderung in der Schweiz

Redaktion: Therese Wüthrich

Trump und die Frauenförderung in der Schweiz: Drohbriefe Trumps gegen Frauenförderung

kommentiert von Mascha Madörin

Kaum war US-Präsident Trump an der Macht hat er ein Dekret unterschrieben, das alle sogenannten DEI-Programme (Diversity, Equity, Inclusion) der Auslandsdienste für illegal erklärt https://www.whitehouse.gov/fact-sheets/2025/03/fact-sheet-president-donald-j-trump-removes-dei-from-the-foreign-service/.

Dieses Dekret, das die Förderung von Diversität, Geschlechtergleichheit und Inklusion verbietet, wurde zwar «nur» für die Bundesregierung der USA und deren Dienste im Ausland erlassen, aber Trump hat dieses Dekret inzwischen beliebig auf Konzerne mit internationalen Geschäftsbeziehungen, aber auch beispielsweise auf Universitäten und Forschungsinstitute im Ausland ausgedehnt und klar, auch auf alle internationalen Organisationen und -programme, bei denen die USA Mitglied ist oder mit denen sie kooperiert. Einen entsprechenden Drohbrief haben auch Schweizer Konzerne mit Geschäftsbeziehungen zu den USA von der US-Botschaft bekommen. Die Zeitschrift Annabelle hat darüber und über die Reaktionen von Schweizer Unternehmen berichtet https://www.annabelle.ch/leben/welche-schweizer-unternehmen-knicken-vor-trump-ein/.

Die USA stellen den grössten Markt der Welt dar und sind deshalb für viele Unternehmen sehr wichtig. Ein Drohbrief von Trump wiegt wohl für die meisten Konzerne schwerer als ein Brief von Gewerkschaften, die sich für mehr Rechte der Angestellten einsetzen. Hierzulande ist die Förderung der Frauen Teil des Gesamtarbeitsvertrags vieler Gewerkschaften auch beispielsweise im Fall der Pharmakonzerne, gilt aber nur für den Standort Schweiz und nicht für alle Geschäftsgebiete der Konzerne.

Nebst der Drohung, den Marktzugang zu den USA zu erschweren, wendet die US-Regierung das schon immer bewährte Erpressungsmittel an: Die Drohung mit der Kürzung der Finanzierung. Als grosses Land hat die USA in vielen internationalen Programmen und Institutionen einen grossen Anteil an deren Finanzierung. Die Trump-Regierung ist daran, massenweise Mitgliedschaften in internationalen Institutionen und Beteiligungen in internationalen Programmen zu kündigen oder deren Finanzierung zu reduzieren. Die USA sind bisher auch führend gewesen als internationaler, öffentlich finanzierter Forschungsstandort. Auch die ETH Zürich hat entsprechende Anti-DEI-Post aus den USA erhalten wegen gemeinsamer Forschungsprogramme mit US-Institutionen.

Die UNO ist in der Nachkriegszeit sehr wichtig für die Förderung der Geschlechtergleichheit gewesen. Schon 1979 hat die UNO-Generalversammlung die Frauenrechtskonvention CEDAW verabschiedet. Es ist völkerrechtlich gesehen das wichtigste Frauenförderungsgesetz auf internationaler Ebene und war wichtig für viele Frauenorganisationen in ihrem Kampf gegen traditionell patriarchale Gesetzgebungen ihrer Nationalstaaten. So auch in der Schweiz.

Trump bekämpft alles, was Zivilgesellschaften an sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen für die national und international tätigen Unternehmen im Verlauf der letzten 80 Jahre in verschiedensten internationalen Verträgen durchgesetzt haben. Dies gilt insbesondere auch für die Klimakonventionen. Die UBS hat vor Kurzem angekündigt, dass sie sich aus der Klima-Allianz der UNO zurückzieht. Die US-Grossbanken haben sich aus dieser sogenannten Zero-Net-Banking-Alliance zurückgezogen, schon vor Amtsantritt von Trump … https://www.srf.ch/news/wirtschaft/druck-aus-den-usa-ubs-zieht-sich-aus-der-klima-allianz-zurueck.

Der trump’sche Kahlschlag in Sachen frauenfreundlicher, sozialer und ökologischer Regulierungen gilt auch für andere internationale Regelungen, welche US-Konzerne und die US-Regierung in ihrer Machtpolitik im Ausland begrenzen könnten, so auch beispielsweise die Antikorruptionsgesetzgebung, die von der OECD initiiert wurde. Es ist inzwischen den Konzernen vieler Länder verboten, im Ausland Regierungen anlässlich grosser öffentlicher Investitionsvorhaben zu bestechen. Die entsprechende Aufsichtsbehörde soll nun in den USA abgeschafft werden.

Trump stiess vor den Wahlen bei den Wirtschaftseliten nicht nur in den USA, sondern auch in der Schweiz auf nicht wenig Sympathien und fand dabei namhafte Sponsoren für die Wahlen. Trump scheint jedoch auch entschlossen zu sein, auf Biegen und Brechen die Dynamiken und Regelungen der Weltmärkte und des internationalen Finanzsystems umzukrempeln – zunehmend zum Missfallen vieler Akteure des Weltmarktes. Die Macht, Zölle auf die Importe des riesigen US-Markt zu verhängen, dient Trump als bisher wichtigster Hebel seine Machtpolitik gegenüber dem Ausland und auch gegen den Willen vieler transnationaler Konzerne durchzusetzen.

Der Erpressungsfaktor Marktmacht hat sich als besonders schlecht für die Alleingängerin Schweiz erwiesen. Allein die Warenexporte der Schweiz in die USA machten im Jahr 2024 mit 57,2 Mrd. Franken 7,3 Prozente des Schweizer BIP (781,5 Mrd. Franken) aus. Dies entspricht etwa dem BIP-Anteil des ganzen Gesundheits- und Sozialwesens. In den USA aber nur 0,2 Prozent des BIP der USA. Die ökonomische Bedeutung der Warenexporte der Schweiz in die USA fällt also für die Schweiz sehr stark ins Gewicht, rund 36-mal stärker als für die USA… Die Exporte der EU in die USA sind rund 10-mal grösser als diejenigen der Schweiz.

Zwischen Statistik und Gerechtigkeit: Die geschlechtsspezifische Lohnlücke im Fokus

Faktenblatt von Louisa Roos, Trinity College Dublin, https://sites.google.com/tcd.ie/louisaroos/about

Die geschlechtsspezifische Lohnlücke (Gender Pay Gap) ist ein zentrales Instrument zur Analyse von Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern am Arbeitsmarkt. Die wirtschaftliche Bedeutung von Löhnen als Lebensgrundlage ist allgemein bekannt, deshalb ist das Konzept gut verständlich und die Datenlage in der Regel solide. Dennoch gibt es unterschiedliche Ansätze zur Berechnung von Lohnlücken: Einige konzentrieren sich auf die unbereinigte Differenz, Andere versuchen bestimmte Dimensionen von Lohnungleichheit sichtbar zu machen. Je nach Methode variiert die Höhe der Lücke erheblich. Dieses Faktenblatt bietet eine Einführung in verschiedene Ansätze zur Messung der geschlechterspezifischen Einkommenslücke. Es soll Entscheidungsträger:innen ein besseres Verständnis dafür vermitteln, warum und wie diese Unterschiede gemessen werden – und welche Überlegungen bei der Wahl des geeigneten Ansatzes eine Rolle spielen.

1. Medianlohn oder Durchschnittslohn als Ausgangspunkt

Die erste und grundlegendste Entscheidung bei der Berechnung der geschlechtsspezifischen Lohnlücke betrifft die Wahl zwischen Durchschnitts- oder Medianlöhne. Wird der Durchschnittslohn verwendet, fliessen alle Löhne in die Berechnung ein – auch sehr hohe und sehr niedrige. Diese sogenannten Ausreisser können den Durchschnitt stark beeinflussen. Um dieses Problem zu reduzieren, wird der Durchschnitt manchmal in einer logarithmierten Form berechnet, bei der extreme Werte weniger stark ins Gewicht fallen. Der Medianlohn dagegen ist der Lohn, bei dem die Hälfte der Menschen im Datensatz mehr und die andere Hälfte weniger verdient. Damit zeigt der Median, was ein „typischer“ Mensch verdient, und ist weniger anfällig für extreme Werte. Beide Methoden stellen jedoch Aggregationen dar, die die geschlechterspezifische Verteilung der Löhne insgesamt nur unzureichend abbilden.

Welche Methode verwendet wird, hängt davon ab, wie stark die extrem hohen oder niedrigen Löhne in die Analyse einbezogen werden sollten. Die Entscheidung hat einen spürbaren Einfluss auf das Ergebnis: Im Jahr 2022 betrug die geschlechtsspezifische Lohnlücke in der Schweiz 16,2 % bei Verwendung des Durchschnittslohns, aber nur 10,6 %, unter Verwendung der Medianlöhne.1Kaiser, B. & Möhr, T. (2025). Analyse der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern anhand der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2022. BSS Volkswirtschaftliche Beratung. Im Auftrag des Bundesamts für Statistik. Der Grund, weshalb die Lohnlücke bei Verwendung von Durchschnittslöhnen grösser ausfällt, liegt wahrscheinlich in der Überrepräsentation von Männern in den bestbezahlten Positionen – tatsächlich zeigt sich der Unterschied im Durchschnittslohn zwischen den Geschlechtern besonders deutlich im obersten Kader der Berufe2Kaiser, B. & Möhr, T. (2025). Analyse der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern anhand der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2022. BSS Volkswirtschaftliche Beratung. Im Auftrag des Bundesamts für Statistik. – und eine Überrepräsentation von Frauen in Tieflohnstellen.3Schweizer Gewerkschaftsbund (2023). Verteilungsbericht 2023. Link: https://www.sgb.ch/fileadmin/redaktion/docs/mk-cp/230109_JMK/154d__Verteilungsbericht_2023.pdf

2. Die Wahl der Referenzgruppe

Die zweite wichtige Entscheidung betrifft die Wahl der Referenzgruppe. Üblicherweise werden Männer als Referenzgruppe verwendet, sodass die Lohnlücke als Prozentsatz des durchschnittlichen (oder median) Männerlohns ausgedrückt wird – also wie viel weniger Frauen im Vergleich zu Männern verdienen. Formal wird dies wie folgt berechnet: 1 – (durchschnittlicher Lohn der Frauen) / (durchschnittlicher Lohn der Männer) oder 1 – (median Lohn der Frauen) / (median Lohn der Männer). In der Schweiz lag zum Beispiel der durchschnittliche Bruttomonatslohn der Männer bei 8398 CHF und jener der Frauen bei 7034 CHF in 2022.4Kaiser, B. & Möhr, T. (2025). Analyse der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern anhand der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2022. BSS Volkswirtschaftliche Beratung. Im Auftrag des Bundesamts für Statistik Mit der traditionellen Berechnungsmethode ergibt sich daraus eine Lohnlücke von 16.2 % – Frauen verdienen also 16.2 % weniger als Männer. Durch die Berechnung mit Medianlöhnen beträgt die Lücke 10.6%.

Werden jedoch Frauen als Referenzgruppe gewählt, und berechnet die Lücke als (durchschnittlicher Lohn der Männer) / (durchschnittlicher Lohn der Frauen) – 1, wird die Einkommenslücke als Überbezahlung der Männer im Verhältnis zu den Frauen dargestellt – und beträgt für die Schweiz 19.4 % in 2022. Mit Medianlöhnen gerechnet ist die Lücke so berechnet sind es 11.8%. Der Unterschied ergibt sich daraus, dass sich die Berechnung auf eine niedrigere Basis (die Löhne der Frauen) bezieht. Auch wenn dies auf den ersten Blick wie eine semantische Feinheit erscheint, verdeutlicht es doch die statistische Relevanz der gewählten Referenzgruppe: Wer als „Standard“ betrachtet wird, beeinflusst das Ergebnis massgeblich. Werden Männer als Referenzgruppe gewählt, liegt der Fokus automatisch auf der Benachteiligung der marginalisierten Gruppe – und nicht auf den Privilegien derjenigen, die sich in einer Machtposition befinden.5Small, Sarah F. (2024). „What is a Feminist Quantitative Method? Opportunities for Feminist Econometrics.“ Feminist Economics.

3. Dekompositionsanalysen

Die Dekompositionsanalysen der geschlechtsspezifischen Lohnlücke zielen darauf ab, aufzuzeigen, in welchem Ausmass und durch welche Faktoren sich die Lohnlücke erklären lässt. In der Schweiz waren im Jahr 2022 beispielsweise 51.8 % der Lohnlücke erklärbar und 48.2 % unerklärt.6https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/loehne-erwerbseinkommen-arbeitskosten/lohnstruktur/lohnunterschied.html Solche Modelle basieren typischerweise auf dem sogenannten Oaxaca-Modell, das die Lohnunterschiede zwischen Gruppen in Komponenten zerlegt: Unterschiede in messbaren Merkmalen (z. B. Bildung, Berufserfahrung), Unterschiede in der Bewertung dieser Merkmale am Arbeitsmarkt, und einen unerklärten Rest.

Trotz seiner weiten Verbreitung ist das Modell in mehrfacher Hinsicht kritisch zu betrachten. Erstens hängt der messbare Anteil der Lohnlücke stark von der Qualität und Breite der verwendeten Daten ab: Je mehr relevante Variablen berücksichtigt werden können, desto grösser fällt in der Regel der erklärte Anteil aus. In Kontexten mit begrenzter Datenverfügbarkeit hingegen steigt der unerklärte Anteil, da das Modell die Realität weniger gut abbilden kann. Problematisch ist dabei, dass der erklärte Teil im öffentlichen Diskurs manchmal als gerechtfertigt interpretiert wird. Dadurch verschiebt sich der Fokus auf den unerklärten Anteil7Madörin, M. (2018). Die kleingerechnete Ungleichheit. Widerspruch: Beitrage zu sozialistischer Politik. , was die Diskussion in technische Debatten abgleiten lässt – etwa, ob Geschlechterungleichheit überhaupt ein Problem darstellt, sofern man nur die „richtigen“ Variablen berücksichtigt.

Zudem haben feministische Ökonom:innen kritisiert, wie die Lohnstruktur im Standardmodell abgebildet wird. Üblicherweise enthält dieses Modell sogenannte Dummy-Variablen für Berufe – Indikatoren, die anzeigen, ob jemand in einem bestimmten Beruf arbeitet –, um den Einfluss beruflicher Segregation im erklärten Teil der Lohnlücke zu erfassen. Das Problem dabei ist jedoch, dass diese Berufs-Dummies nicht nur die berufliche Verteilung von Männern und Frauen widerspiegeln, sondern auch Unterschiede im Humankapital (z.B. Bildung oder Berufserfahrung). Der Grund dafür liegt darin, dass Lohnunterschiede zwischen Berufen oft gerade auf unterschiedliche Qualifikationsanforderungen und offiziellen Qualifikationseinstufungen zurückgehen. In der Folge lässt sich nicht klar trennen, welcher Teil der erklärten Lohnlücke auf berufliche Segregation und welcher auf individuelle Merkmale der Arbeitnehmenden zurückzuführen ist. Ob und wie stark diese Überschneidungen auftreten, hängt letztlich davon ab, welchen Referenzwert dem Lohnmodell zugrunde liegen – etwa einen allgemeinen Durchschnittslohn oder den branchenspezifischen Vergleichslohn, der bei der individuellen Lohnverhandlung tatsächlich als Massstab dient.

Karamessini und Iaokimoglou (2007) schlagen daher einen alternativen Ansatz vor: Sie betrachten individuelle Löhne nicht in Bezug auf einen allgemeinen Durchschnittslohn, wie es in Standardmodellen üblich ist, sondern als Abweichungen vom durchschnittlichen Lohn einer passenden Referenzgruppe – etwa innerhalb derselben Berufsgruppe.8 Karamessini, M., & Ioakimoglou, E. (2007). Wage determination and the gender pay gap: A feminist political economy analysis and decomposition. Feminist Economics, 13(1), 31-66. Dieser Referenzwert dient als Ausgangspunkt für Lohnverhandlungen zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen. Die individuellen Löhne spiegeln dann das Ergebnis solcher Aushandlungen wider, bei denen persönliche Merkmale wie Qualifikationen oder Erfahrung die Höhe des Lohns mitbestimmen. Das stellt eine realistischere Modellierung dar als in den klassischen Modellen, in der individuelle produktivitätsbezogene Merkmale unabhängig bewertet und entlohnt werden.

Ausgehend von dieser Lohnfunktion zerlegen sie die geschlechtsspezifische Lohnlücke in folgende Komponenten: berufliche Segregation; Unterschiede im Humankapital; Unterschiede in der Entlohnung dieses Humankapitals – also wie gut sich gewisse Merkmale am Arbeitsmarkt auszahlen – jeweils im Verhältnis zu den Durchschnitten innerhalb der beruflichen Referenzgruppe; und der unerklärbare Rest. Dieser Ansatz unterscheidet dann zwischen sozial determinierten Löhnen – erfasst durch den Durchschnittslohn innerhalb eines Berufs – und individueller Lohnverhandlung.

Die Segregationskomponente umfasst somit nicht nur die ungleiche Verteilung von Frauen und Männern über verschiedene Berufe, sondern auch die strukturelle Unterbewertung von frauendominierten Berufen. Dies ergibt sich daraus, dass individuelle Löhne in ihrer Lohnfunktion als Abweichungen vom durchschnittlichen Lohn innerhalb einer Berufsgruppe modelliert werden – wobei diese Durchschnittslöhne als gesellschaftlich bestimmt gelten. Die Autor:innen argumentieren, dass Diskriminierung nicht nur auf individueller Ebene bei Lohnverhandlungen entsteht, sondern auch in kollektiven Lohnbildungsprozessen sowie in gesellschaftlichen Institutionen und kulturellen Normen verankert ist – also in jenen Strukturen, die sowohl zur geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarkts als auch zur geringeren Bewertung von frauendominierten Berufen und Branchen beitragen. Diese theoretische Erweiterung schlägt sich auch empirisch nieder: Anhand griechischer Daten zeigen sie, dass die Segregationskomponente in ihrem Verfahren einen deutlich höheren Erklärungswert für die geschlechtsspezifische Lohnlücke liefert als bei den traditionellen Zerlegungen.

4. Unbezahlte Arbeit

Geschlechtsspezifische Lohnlücken spiegeln Unterschiede in der Entlohnung von Erwerbsarbeit wider. Wir wissen jedoch, dass ökonomische Geschlechterungleichheit zu einem grossen Teil durch die geschlechtsspezifische Verteilung von Arbeit zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit verursacht wird. Da Frauen deutlich mehr unbezahlte Sorge- und Hausarbeit leisten, unterschätzt die traditionellen Lohnlücke das wahre Ausmass der Ungleichheit.

Mathematisch lässt sich dieses Problem leicht beheben, allerdings mangelt es häufig an den dafür nötigen Daten – insbesondere an Informationen über unbezahlte Arbeitsstunden. In der Schweiz wird jedoch regelmässig und detailliert Zeitverwendungsdaten erhoben. Dadurch ist es möglich, das Einkommen durch die Summe aus bezahlter undunbezahlter Arbeitszeit zu teilen. Wenn unbezahlte Arbeitsstunden in die Berechnung des durchschnittlichen Stundenlohns so einbezogen werden, wirkt sich dies stärker auf den durchschnittlichen Stundenlohn von Frauen aus als auf jenen von Männern – da Frauen insgesamt mehr Stunden zu Null-Lohn leisten, fällt ihr durchschnittlicher Stundenlohn entsprechend stärker. Dadurch vergrössert sich die geschlechterspezifische Lohnlücke – in der Schweiz ist sie bei Einbezug unbezahlter Arbeit fast doppelt so hoch9Roos, L. (2025). The true gender pay gap: Accounting for the distribution of unpaid labour. Economics Letters, 247, 112144.. Roos (2025) passt das oben beschriebene Dekompositionsverfahren von Karamessini und Iaokimoglou (2007) an, um zusätzlich die Segregation zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit zu berücksichtigen. In der Schweiz erklärt die Segregation zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit den grössten Teil dieser angepassten Lohnlücke.

 

5. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit

Was wollen wir mit all diesen Analysen zur Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern eigentlich erreichen? In der Schweiz ist das Prinzip „gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ – also, dass Frauen und Männer für Arbeit von vergleichbarem Wert gleich entlohnt werden sollen, nicht nur für identische Tätigkeiten – seit 1981 in der Bundesverfassung verankert.10https://www.ebg.admin.ch/en/equal-pay Dieses fortschrittliche Prinzip wurde erstmals 1951 von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingeführt und ist seither in Europa weit verbreitet.

Die Idee dahinter ist, Lohndiskriminierungen auch in einem geschlechtlich segregierten Arbeitsmarkt aufdecken und bekämpfen zu können. Ihre Umsetzung erfordert jedoch Lohntransparenz, die auch in der EU-Richtlinie von 2023 benannt wurde.11https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/2023/970/oj/eng Doch selbst bei qualitativ hochwertigen Lohndaten bleibt die Bewertung von „gleichwertiger Arbeit“ stark abhängig vom jeweiligen Lohnfindungssystem – und damit auch von darin eingebetteten Werturteilen, Vorannahmen und politischen Rahmenbedingungen.12Whitehouse, G., & Smith, M. (2020). Equal pay for work of equal value, wage-setting and the gender pay gap. Journal of Industrial Relations, 62(4), 519-532.

Das bedeutet: Welche Berufe als „gleichwertig“ gelten, ist direkt von Machtverhältnissen und politischen Allianzen beeinflusst.13Acker J (1989) Doing Comparable Worth. Philadelphia, PA: Temple University Press. Deshalb ist es zentral, dass Aktivismus und Gewerkschaften eine aktive Rolle übernehmen, um gerechte Vergleichsgrundlagen durchzusetzen. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist der Fall von Pflegefachpersonen in Zürich Anfang der 2000er Jahre, die gemeinsam mit mehreren Verbänden geltend machten, dass ihre Einstufung und Entlohnung im Vergleich zur Polizei zu tief waren14https://www.gleichstellungsgesetz.ch/d103-1359.html . Kurz darauf wurde jedoch mit der Einführung der Fachangestellte/r Gesundheit (FaGe) ein neuer Beruf geschaffen, der erneut tiefer eingestuft wurde15Wiederkehr, S. (2009). „Lohngleichheit – eine Farce!“ in Olympe. Feministische Arbeitshefte zur Politik. Link: https://frauenarchivostschweiz.ch/files/olympe/olympe_30.pdf – ein Hinweis darauf, wie der Kostendruck in staatlichen Dienstleistungen durch die Abwertung von Arbeit in frauendominierten Berufen begegnet wird.

Dieser Fall zeigt deutlich: Rechtliche Gleichstellung allein reicht nicht aus – wir brauchen starke Jurist:innen, die das Gesetz durchsetzen, Ökonom:innen und Statistiker:innen, die das Ausmass des Problems sichtbar machen, sowie Aktivist:innen, Gewerkschafter:innen und Politiker:innen, die ein Umfeld schaffen, in dem die Arbeit von Frauen angemessen bewertet wird.

Fussnoten

Kursangebote

Job Garantie am Beispiel von Frankreich

Am 18. September 2025 ab 19 Uhr via Zoom
Die Arbeitsgruppe «Staat und private Haushalte, Lastenausgleich» von Economiefeministe hat Josefine Schmidt eingeladen für einen Vortrag zum Thema Job Garantie am Beispiel des Programms in Frankreich. Josephine Schmidt ist Geschäftsführerin vom Ökonominnen-Netzwerk efas und Doktorandin in Soziologie am Zentrum für Frauen- und Geschlechterstudien der TU Berlin und am Institut Catholique de Paris.

Gender Budgeting

Am 2. und 30. Oktober 2025, 19 Uhr per Zoom.
unter der Leitung von Christine Rudolf und Ursula Scheidegger

Am ersten Abend werden die grundsätzlichen Fragestellungen von Gender Budgeting anhand von Daten in der Schweiz vorgestellt. Der Blick richtet sich dabei auf den Zusammenhang von Öffentlichen Finanzen und Frauen vor allem unter dem Thema Geld, aber auch Zeit. Ziel ist, grundsätzliches Verständnis dafür herzustellen, wie Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte, die Einfluss auf persönlich gewählte Lebensführung haben.

Am zweiten Abend werden Umsetzungen von Gender Budgeting, die es in öffentlichen Haushalten bereits gibt, vorgestellt. Es gibt nicht den einen Weg, einen geschlechtersensiblen Haushalt zu führen. Hier werden Chancen und Möglichkeiten präsentiert, die unterschiedliche Ansätze von Gender Budgeting bieten.

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