Frauen verbringen über 80 Prozent ihrer bezahlten und unbezahlten Arbeitszeit im Sektor der Sorge- und Versorgungswirtschaft: im Gesundheitswesen, in Altersheimen, Kitas, Tagesschulen und Schulen, im Detailhandel, in Haushalten und in der Gastronomie. Dass und wie so genannte Care-Arbeit, also die direkte Sorge für und die Versorgung von Menschen, geleistet wird, entscheidet über den Lebensstandard und das Wohlergehen aller in einer Gesellschaft.

Obwohl Frauen und Männer im erwerbsfähigen Alter heute in der Schweiz gleich viele Stunden arbeiten, verfügen Frauen über rund 100 Milliarden Franken weniger Einkommen im Jahr als die Männer. Der Grund dafür: Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit als Männer und werden für ihre bezahlte Arbeit im Durchschnitt schlechter bezahlt als sie.

Wer Zeit für unbezahlte oder bezahlte Sorge- und Versorgungsarbeit einsetzt, soll nicht ökonomisch dafür bestraft werden. Massnahmen zur Entlastung von Haushalten mit Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen und für die ökonomische Gleichstellung der Geschlechter müssen entsprechend in zwei Währungen aufgehen: Zeit und Geld.

Zeit & Geld

In zwei Währungen rechnen

Alle Menschen müssen geboren, ernährt, und grossgezogen werden und brauchen auch als Erwachsene saubere Kleidung, Nahrung und Pflege. Und all diese Arbeit ist anders als jene Arbeit, die im Allgemeinen unter «Wirtschaft» verstanden wird. Während beispielsweise Autos immer schneller produziert werden können, kann nicht immer schneller gepflegt und Kinder können nicht immer schneller ins Bett gebracht werden.

Insbesondere Familien sind von zeitlichen und finanziellen Mehrbelastungen betroffen. Mütter und Väter arbeiten je fast 70 Stunden pro Woche (bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammengenommen). Mütter zu zwei Dritteln unbezahlt, Väter zum gleichen Anteil bezahlt. Zum Vergleich: Menschen ohne Kinder arbeiten rund 50 Stunden pro Woche. Also immer noch viel. Zusätzlich belastet sind aber nicht nur Haushalte mit Kindern, sondern auch solche mit pflegebedürftigen Angehörigen: Zur Haus- und Erwerbsarbeit kommen wöchentlich durchschnittlich fast 13 Stunden für die direkte Pflege von Angehörigen hinzu, die zusätzliche Hausarbeit nicht eingerechnet.

Der Beitrag «In zwei Währungen rechnen: Zeit und Geld» auf elleXX von Anja Peter und Mirjam Aggeler zeigt auf, was das Problem an diesem unvollständigen Bild von Wirtschaft ist, was es uns kostet und nicht zuletzt: wie Arbeit geschlechtergerechter organisiert werden könnte. Das Gute daran: Wir müssen das Rad nicht selbst erfinden – zumindest vorläufig nicht.

 

Sorge. Arbeit. Macht. Armut.

Sorgearbeit als Faktor für soziale Ungleichheit und Prekarisierung

Sorge-Arbeit ist ein entscheidender Faktor ist, wenn wir über soziale Ungleichheit und Prekarisierung sprechen. Denn: Wer Sorge- und Versorgungsarbeit leistet, wird dafür ökonomisch bestraft. Doch gerade in der Sorge-Arbeit, sei sie bezahlt oder nicht, sind Kämpfe für bessere Arbeitsbedingungen besonders schwierig. Denn diese Arbeit kann «erpresst» werden: Wenn Kinder weinen, wenn Menschen Hilfe brauchen, kann sie nicht verweigert und auf später verschoben werden.

Der Beitrag «Sorge. Arbeit. Macht. Armut.» geht dem Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit, Geschlecht und der Organisation und Finanzierung von gesellschaftlich notwendiger Sorge- und Versorgungsarbeit nach. Das verbindende Element: die Verknappung von Zeit und Geld. Diese Verknappung trifft sowohl die Sorge-Erbringenden wie auch die Sorge-Empfangenden und ist deshalb eine wesentliche sozialpolitische Frage. Die Organisation zeitintensiver Arbeit zugunsten der breiten Bevölkerung ist eine «zentrale Zukunftsarbeit rund um nachhaltiges Wirtschaften und soziale Gerechtigkeit», bei der die «Erfahrung der Sorge-Arbeitenden im Zentrum eines solchen Gesellschaftsprojekts» stehen müsse.

 

Mascha Madörin, Schweizer Pionierin der feministischen Ökonomie, erklärt, wie die 100 Milliarden Franken schwere Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern in der Schweiz Zustande kommt; wie sie überhaupt dazu kam, diese Zahl zu berechnen; welche Erkenntnisse sie aus den Frauenbewegungen der 70er Jahre zog; welche Herausforderungen sich in Zukunft stellen werden; und welche Debatten wir heute dringend führen müssen.

Marlène Sandrin: Gratisarbeit ist Teil der Schweizer Wirtschaft. In: www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/mascha-madoerin-gratisarbeit-ist-teil-der-schweizer-wirtschaft?partId=12002390. Ausgestrahlt am 11. Juni 2021

100 − 80 − 70

Drei Zahlen, die in der Schweiz alle kennen sollten

100 Milliarden entgehen den Frauen in der Schweiz jedes Jahr. 80 Prozent ihrer Lebensarbeitszeit arbeiten sie in der Sorge- und Versorungswirtschaft. Und 70 Prozent aller Arbeit insgesamt wird in diesem wichtigen Wirtschaftssektor geleistet. Drei Zahlen, drei Flugblätter:

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