Fragen der feministischen Ökonomie
Feministische Ökonomie stützt sich auf die Beobachtung, dass Frauen und Männer etwa gleich viele Stunden arbeiten, Frauen jedoch über viel weniger Geld verfügen als Männer. Darüber hinaus wird ein grosser Teil ihrer Arbeit wirtschaftlich nicht abgebildet. Diese Ausgangslage führt dazu, dass Wirtschafts- aber auch Sozialpolitik sie anders betrifft als Männer. Frauen arbeiten über 80 Prozent ihrer Lebensarbeitszeit in Berufsfeldern, die mit Sorge- und Versorgungswirtschaft zu tun haben. Diese umfasst alle personenbezogenen und haushaltsnahen Dienstleistungen, also alle unbezahlten und bezahlten Tätigkeiten rund um die direkte Sorge für und die Versorgung von Menschen. Sie trägt wesentlich zu Wohlstand und Lebensstandard aller in einer Gesellschaft bei. Deshalb ist sie auch nicht auf ein Frauenthema reduzierbar: sie ist relevant für die gesamte Gesellschaft und damit auch für die Politiken der Volkswirtschaft. Diese Sorgearbeit funktioniert anders als zum Beispiel Arbeit in der industriellen Güterproduktion oder im Bereich der Finanzdienstleistungen und wirft deshalb auch andere ökonomische Fragen auf.
In der Wirtschaftstheorie und -politik kommt sie jedoch nicht vor. Der grosse Anteil der Arbeit von Frauen wird so faktisch aus dem, was als «Wirtschaft» zählt, ausgeschlossen – obwohl sie zentral für unser Wohlergehen ist. Diese Lücke im wirtschaftstheoretischen Denken hat weitreichende Konsequenzen: für unsere Gesellschaft und die wirtschaftliche Positionierung von Frauen sowie für die ökonomische Theorie als Wissens- und Politikbereich. Weil diese Lücken vorwiegend Frauen betreffen, sind sie eine zentrale Frage der feministischen Ökonomie.